Oh my god
Das Problem ist letztlich immer der Rand. Im Kindergarten habe ich mir die Erde wie die alten Römer als Scheibe vorgestellt. Das ging so lange gut bis ich mir vom Rand dieser Scheibe ein Bild zu machen versuchte. Geht es dort einfach senkrecht hinunter und wie weit? Und wie muss man sich die Rückseite vorstellen? Alles Humus aus welchem noch die längsten Wurzeln herausragen? Dieses Rätsel konnte die Wissenschaft für mich locker lösen. Unser Planet ist eben eine Kugel, sozusagen eine dreidimensionale Scheibe, und solange ich immer weiterfliege, komme ich nach 40'000 Kilometern an derselben Stelle vorbei, für immer und ewig. Die dritte Dimension liefert mir eine ganz plausible Lösung, so weit, so gut.
Aus lauter Übermut motivierte mich diese Entdeckung, später vielleicht mal Physiker oder sogar Philosoph zu werden. Aber dann fing mich das Weltall an zu narren. Alles bewegt sich im Nichts und es gibt kein absolutes Koordinatensystem mit dessen Hilfe ich eine Position oder eine Geschwindigkeit definieren könnte. Bewegt sich die Sonne und in welche „Richtung“. Erst recht kam ich beim Rand des Weltalls an den Anschlag. Gibt es einen solchen oder geht das einfach unendlich lang weiter, was heisst das, „unendlich“? Könnte mich eine vierte Dimension da weiter bringen, und wie muss ich mir diese vorstellen? Käme ich auch im Weltraum bei „Geradeausflug“ irgendwann wieder hierher zurück, vielleicht dadurch, dass sich die Zeit wiederholt? Angesichts solcher Betrachtungen musste ich die Erfahrung machen, dass mir die Fähigkeit abgeht, schwer verständliche Zusammenhänge unverständlich auszudrücken, und so blieb es halt bei Ingenieur und Klartext.
Es gelingt mir nicht, mir den Anfang oder das Ende der Zeit vorzustellen. Die Zeit hat einfach keinen Rand und ich kann mich nicht mit dem Urknall als Beginn zufrieden geben, weil sich eben sofort die Frage stellt, was denn vorher war. Noch hilfloser komme ich mir bei der Entstehung und Steuerung des Lebens vor und ich begreife, dass hier viele Leute nach der Instanz eines Gottes als „Rand“ greifen. Aber damit handeln sie sich ja nur ein noch viel schwierigeres Problem ein, nämlich, wer denn auf welche Weise ein so allmächtiges und unbeschreiblich geniales Wesen erschaffen hat. Einstein soll vor seinem Tod gesagt haben, er verlasse jetzt bald diese „seltsame Welt“. Kaum einer hat so tiefen Einblick in die Mysterien unserer Welt erhalten und das einzige, was ihm dazu einfällt ist „seltsam“. Seltsam, isn’t it?