CHWNT nach dem 0:1 gegen Schweden
Aktualisiert: 15. Nov. 2023
An der vorletzten WM haben die Swissgirls eine südamerikanische Mannschaft eine Halbzeit lang an die Wand gespielt und dafür viel zu knapp geführt. Vielleicht gab es dann ein Unentschieden oder sie haben sogar verloren. Weiss ich nicht mehr. Aber die entscheidende, bezeichnende Szene sehe ich immer noch vor mir. Von einer Gegnerin ganz klar zuletzt berührt lag der Ball im Out und die Exotinnen schnappten ihn sich, warfen sofort ein und erzielten ihr erstes Tor, während unsere Ladies immer noch bei der Schiedsrichterin reklamierten. Die Szene erinnerte mich an den Versuch, Tauben in Gegenwart von Spatzen zu füttern: Völlig unmöglich. Keine einzige Taube ergattert sich auch nur ein Stückchen Brot.
Den Schweizerinnen gelingt es kaum je, sich 90 Minuten lang auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dazu gehört auch das Tore schiessen. Sie haben in den Qualifikationsspielen gegen eigentlich inferiore Gegnerinnen Chancen versiebt wie man es nur sehr selten sieht. Ich meine damit nicht die wirklichen Pechexzesse, wenn z.B. Sandy einen Hammer an die Latte drischt, welcher dann via Rücken der Torhüterin an den Pfosten und schliesslich noch an den Kopf des Goalies und natürlich nicht ins Tor oder vor die Füsse einer Schweizerin spickt. Das ist für den Gegner ein schon fast übernatürliches Ereignis und reines Glück. Aber wenn die wohl beste Technikerin Ramona zwei Verteidigerinnen am Sechzehner einen Mastwurf in die Beine knüpft und dann frei zum Schlenzer kommt, gehört der halt mit etwas Reserve ins Kreuz und nicht einen halben Meter daneben.
Der Schlüssel zu diesen Unzulänglichkeiten ist nicht fehlende Technik, davon haben die alle genug, sondern einzig und allein die KONZENTRATION, einen Moment lang keine Gedanken, Gefühle, Ablenkung, nur ich und der Ball und und der Wille, damit etwas ganz bestimmtes anzustellen . Das gilt nicht erst vor dem Tor, sondern auf dem ganzen Feld. Da können sie eine halbe Stunde lang pressen, praktisch ohne Fehlpässe die Gegnerinnen zur Verzweiflung bringen und gefährliche Torszenen kreieren. Aber dann kommen die Fehlpässe. Zuerst vor dem gegnerischen Tor. Steilpässe systematisch zu lang, Flanken ins Nirwana, Schüsse auf dreifache Torhöhe. Dann langsam die Ballverluste bereits im Mittelfeld. Einfachste Pässe unbedrängt ins Aus gespielt oder, besonders gefährlich, direkt an eine freistehende Gegnerin. Schliesslich dasselbe am eigenen Strafraum, selbst gezüchtete Gegentore. Die Schweizer Frauennati hat schlicht und einfach in fast jedem Spiel irgendwann gravierende mentale Probleme. Die Trainerin sieht da konditionelle Mängel und versucht irgendwie auszubügeln, was ihrer Meinung nach die Clubs vernachlässigen. Ein bisschen was kann man so schon erreichen, beispielsweise mit der Verbesserung des Stehvermögens. Lange Sprints und am Schluss trotzdem noch Kraft und Konzentration für eine clevere Aktion. Aber sie versieben in diesen Phasen aus dem Stand oder bei leichtem Jogging unbedrängt Pässe an freistehende Kolleginnen, die ich mit 70 noch zuverlässig spielen könnte. Oh my god!!
Wenn Teams wie Spanien eine Pressingorgie starten und damit Erfolg haben, sind sie immer motivierter und es entsteht ein verheerender Teufelskreis. Dabei gäbe es eine gute Möglichkeit, das für eine Weile zu unterbrechen. Du reagierst darauf sofort mit eigentlich ruinösem Effort und hochkonzentriertem Direktspiel und lässt sie für die Katze auf dem Platz herumdüsen. Spätestens nach dem dritten Mal wird es ihnen verleiden. Dann kannst du die Intensität wieder zurücknehmen und hast zumindest in der eigenen Hälfte Platz und Luft.
Man hört immer öfter, die Schweizer Frauen hätten langsam aber sicher den Kontakt zur Weltspitze verloren. Wie bitte? Über 15 von ihnen spielen in ausländischen Topligen. Deutschland, England, Spanien. In Topclubs wie Wolfsburg, Arsenal, Atletico, PSG usw. Über 10 von ihnen haben seit Jahren Stammplätze: Lia, Noelle, Ana, Ramona, Geraldine, Louana usw. Die Unsicherheiten und Probleme haben angefangen, als die langjährige, verdiente Trainerin die Mannschaft zwar für die EM qualifizierte, dann aber im Stich liess und zum Deutschen Team wechselte, um dieses in wenigen Jahren an die Wand zu fahren. Nils musste die Swissgirls an seinen Führungsstil heranführen und mit ihnen erst mal den K.O. durch den Tod der bei allen beliebten Frohnatur Floriana verarbeiten. Auch mit ihm kassierten sie jämmerliche Klatschen gegen zwei Topteams, aber das waren nur Vorbereitungsspiele. Am Turnier selbst kämpften sie zuerst gegen Covid und unmittelbar danach auf Augenhöhe gegen Holland und Schweden. Schade aber verständlich, dass Nils irgendwann realisierte, dass seine eigenen Kids fast ohne ihn aufwuchsen und das Handtuch warf. Man hatte das Gefühl, dass die Mannschaft unter seiner Leitung eine verschworene Clique mit der bewährten dänischen Kombination aus Präzision und Lockerheit geworden war.
Und jetzt also Inka. Zweifellos zu ihrer Zeit eine Weltklasse-Tormaschine. Auch den FCZ hat sie sehr erfolgreich durchgestartet. Könnte es sein, dass sie die Nerven verliert, wenn sie auf fundierten und hartnäckigen Widerstand stösst. Wie passt es zusammen, dass sie die ultimative Schweizer Torschützin klar gegen deren Willen eine „Pause machen“ lässt und später für eine „Besprechung“ zu ihr nach Madrid fliegt?? Eines ist sicher. Die Leichtigkeit und das gegenseitige Vertrauen aus der Zeit von Nils Nielsen sind restlos verschwunden. Der hatte die Schweizer Nati aus einem Dornröschenschlaf geweckt wie Jahre zuvor die Dänische Mannschaft.
Man hat längst das Gefühl, dass nicht mehr alle am selben Strick ziehen und ich würde nur zu gern mal in der Pause eines Spiels hören, was da so abgeht in der Garderobe und warum und so. Was auf dem Feld passiert, das sehen wir deutlich und ich versuche das mal aus meiner Sicht kommentieren:
Zur Spieltaktik kann und will ich nicht allzu viel sagen. Ich denke, sie wird allgemein überbewertet. Hanspeter Zwicker hat mal im Tagi-Magi über den FCZ berichtet. Startrainer „Tschig“ Tschaikowsky erklärte vor einem Spiel ausführlich und komplex die Taktik. Dann gingen sie auf das Feld und der Leithammel Botteron verkündete: „Alles vergessen Jungs, wir spielen wie immer!“
Aber entscheidend ist die Einzeltaktik. Wie verhält sich eine einzelne Spielerin oder eine kleine Gruppe optimal? Die kürzeste und eindrücklichste Instruktion erlebte ich mit dem Slowakischen Trainer unserer ETH-Mannschaft vor dem Spiel gegen Genf, wo immer wieder Spieler der höchsten Schweizer Liga mitmischten. „Sie beherrschen den Doppelpass. Bleib bei deinem Spieler. Wenn du dem Ball nachläufst, bist du verloren.“ Das war es dann. Heute sehe ich bis in die Championsleague immer wieder Verteidiger, welche das nicht beherrschen und in den Hammer laufen. Oder eben die Frauen der Schweizer Nati. Sagt ihnen das wirklich NIEMAND???
Was die Aufstellung betrifft könnte man Inka dafür loben, dass sie die Mannschaft konsequent und erfolgreich mit Talenten wie Beney, die sich natürlich umgehend das Kreuzband ruinieren musste, oder Pilgrim verjüngt, die keine Schwächen und keine Angst zu kennen scheint und sogar ein Tor fertigbrachte. Sonst schiesst man seit hunderten von Minuten keine Tore mehr. Was also spielt Ana, ultimative Mittelstürmerin, gross, kräftig, schnell, Torriecher wie keine andere und mit Abstand beste Schweizer Torschützin? Genau, Aussenverteidiger. Oder Marti, die einen Teileinsatz als Flügel bekam, begeisternd aufspielte und sicher wieder auf die Aussenverteidigerposition oder das Bänkli zurückschnellen wird. Dann die Problemfälle. Ramona, beste Technikerin und Dribblerin, Flipflop zwischen genialer Torschützin und Chancentod (siehe Seferovic). Aber es ist grobfahrlässig, sie im vorderen Mittelfeld zu bringen, weil sie dort laufend Bälle verdribbelt, Fehlpässe spielt oder Konter abbricht. Schliesslich Alisha, als hübsches Teenie herrlich erfrischend und auch körperlich robustes Talent. Verschwindet fast vollständig im Internet und ihrem Schminkzimmerli und nimmt sich einfach mal eine Auszeit von einem Jahr. Dann wird sie mit offenen Armen wieder empfangen, sieht zum Erbarmen aus in ihrer Plastikmaske, wird wieder und wieder aufgestellt und sogar gelobt, aber sie ist ein Schatten ihrer selbst, merkt das denn niemand?
Letztlich noch zur Rolle von Lia, klar die Beste im Team und im Gegensatz zu gewissen anderen Captains eine integre, besonnene Leaderfigur auf und neben dem Platz. Zu ihrer Zeit bei Potsdam durfte sie auch mehr mit in den Angriff und löste mit ihrer Schnelligkeit, Passgenauigkeit und Schusspräzision regelmässig Panikattacken beim Gegner aus. Es ist angebracht, dass Bachmann und neu Stierli die direkten Freistösse schiessen, aber es gibt in der Schweiz momentan keine Frau und keinen Mann, welche ähnlich perfekte indirekte Kunstwerke aus mittlerer Distanz liefern. Zu ihrer aktuellen Ehrenrettung möchte ich hier noch beifügen, dass sie NICHT die Schuld am einzigen Tor der Schwedinnen trägt. Im Gegenteil, sie hat absolut perfekt funktioniert. Sie stand auf Tuchfühlung mit ihrer Gegnerin, schaute auf die Schützin und startete genau als diese den Ball berührte Richtung Tor. Ihre Gegnerin startete etwas früher und tappte damit eigentlich prächtig in die Abseitsfalle. Aber wenn man etwas genauer hinsieht stellt sich heraus, dass leider im Hintergrund eine andere Schweizerin fast einen Meter weiter hinten stand und das Offside aufhob, was auch in der Nachbetrachtung keinem Kommentator oder „Experten“ Auffiel . Sorry Lia im Namen der Nation. Du bist und bleibst die Beste!
Abschliessend hätte ich da nur noch eine Frage: Wollt ihr wirklich mit dieser Trainerin an die Heim-EM?
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