Waldbrand
Lieber Herr Trump
Als ich wenige Jahre nach dem frühen Tod meiner Eltern im dôme des invalides auf den pompösen Sarkophag Napoleons hinunterblickte, empfand ich keine Bewunderung, keinen Neid auf den grössten Feldherrn Europas, sondern einfach nur Mitleid. Mir wurde in wenigen Sekunden klar, dass Machtstreben, erfüllt oder nicht, nur eine Folge von Ohnmachtgefühlen sein kann. Wir haben alle berechtigte Angst vor unserer Hilflosigkeit gegenüber der unbegrenzten Macht des Universums und der Zeit über uns. Dieser Herausforderung muss sich jeder auf seine Art stellen, und das tun wir auch, allerdings unterschiedlich erfolgreich. Wie weit wir dabei kommen hängt von unserem Lebenskonzept ab. Dafür gibt es kein Geheimrezept, aber klar ist eines: Das erringen beliebiger Machtpositionen ist nur eine Seifenblase, die mit absoluter Sicherheit einmal platzt, und sei es erst bei unserem Tod.
Was Sie antreibt, Mister President, ist die panische Furcht vor dem Sturz in die Machtlosigkeit, und um den zu verhindern ist Ihnen kein Mittel zu schäbig. Dass Sie die Tatsache, dass die USA an allen Ecken und Enden brennt, für Ihren permanenten Wahlkampf missbrauchen, ist erbärmlich, aber natürlich nicht unerwartet. „Die Ursache für die verheerendsten Waldbrände liegt darin, dass die betroffenen Staaten von Demokraten regiert werden.“ So einfach ist das. Aber nur noch die hoffnungslosesten Narren bestreiten, dass für zunehmende Dürreperioden und Überschwemmungen, das Abschmelzen von Gletschern und Auftauen von Permafrost und so weiter, der menschengemachte Klimawandel verantwortlich ist, also nicht nur die Demokraten oder Republikaner oder die gesamte USA, sondern die ganze Welt, insbesondere die Bolsonnaros und Trumps aller Länder.
Die stinkenden Überreste von Napoleon in seinem monströsen Sarg haben bei mir definitiv die Weichen gegen das Machtstreben gestellt. Fliegen Sie doch mal kurz nach Paris. Vielleicht funktioniert das bei Ihnen wider Erwarten auch.
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