Aneignung
Aktualisiert: 18. Nov. 2022
Ein neues Wort macht die Runde. Ein Musiker einer bis anhin kaum bekannten Band spielt mit blonden Rastazöpfen. Der Sound ist gut, die Musik gefällt allen. Allen? Nein, ein Gutmensch aus der Szene „Lifestyle-Linke“ fühlt sich zunehmend unwohl. Nicht wegen der Musik. Die würde er eigentlich sogar lieben. Das Problem ist die „Aneignung“. Ein Weisser garniert sich mit etwas, das nur Schwarzen zusteht, wie vor Jahren der aktuelle Kanadische Premier. So, wie wir Kids regelmäsig als „Negerli“ an die Fasnacht gingen, hatte er sich als Student mal schwarz eingefärbt und wurde dafür Jahrzehnte später wegen „Blackfacing“ genötigt, sich bis zur Selbstaufgabe in den sozialen Medien zu entschuldigen. Im aktuellen Fall meldet der Gutmensch in der Pause seine jetzt schon beachtlichen „Schmerzen“ dem Veranstalter, welcher den Gig kurzerhand abbricht. Dabei war dieses Konzert schon von Beginn weg eine Aneignung. Lauter Weisse spielen schwarze Musik ?! So was geht doch einfach nicht.
Werden sich schon bald afrikanische Linke dagegen auflehnen, dass eine Senegalesin virtuos einen Flügel spielt? Wobei ein Klavier mit seinen weissen und schwarzen Tasten letztlich ein Musterbeispiel für Diversifizierung und Gleichstellung ist. Wer hat eigentlich toleriert, dass schwarze Sklaven in den Südstaaten sich europäische Instrumente aneigneten und Marschmusik spielen wollten, aber postwendend bei New Orleans Jazz ankamen? Oder dass daraufhin die Weissen bei Dixieland landeten? Will man einen derart fruchtbaren Austausch zwischen Kulturen als kriminelle Aneignung anklagen und vielleicht schon bald die Protagonisten einsperren?
Eigentlich müsste eine Modeinfluencerin ihre Followerinnen einklagen, weil diese ihr alles nachmachen und sich ihren Geschmack und ihr geistiges Eigentum aneignen. Aber da wäre sie schön dumm, weil die ihr für völlig wertlose und bedenklich billige Tipps die Kasse füllen und sie zudem als Idol verehren. Der weisse Rastaman müsste also vielleicht den Nachkommen von Bob Marley Patentgebühren abliefern und bliebe dann vielleicht eine Zeitlang unbehelligt.
Wirkliche Aneignung findet doch nur dann statt, wenn Starke den Schwächeren etwas wegnehmen, das diesen anschliessend fehlt. Ein Fünftklässler entreisst einem Erstklässler sein Kickboard, fährt ein paar Meter und wirft es dann in die Limmat. Die Chinesen klauen mit dem Einverständnis des örtlichen Tyrannen Sand in Gambia und zerstören damit die Lebensgrundlage einer alten Frau, welche ihr einfaches Guesthouse an der Paradise Beach schliessen muss. Die weissen Cowboys in den USA klauen den Ureinwohnern ihr Land und sperren sie in Reservaten ein oder bringen sie um. Alles pure Aneignungen die ans Lebendige gehen und alle schauen weg, niemand bricht das Konzert ab.
Wen soll ich noch wählen, wenn die Linken sich nicht mehr für die Mittellosen und für Fairness einsetzen, sondern nur noch ihren beispiellosen und verlogenen Scheingerechtigkeitsfimmel zelebrieren? Irgendwann kommt es noch so weit, dass ich um solche Heuchler einen grossen Bogen mache und mit Ueli Maurer einen Schieber klopfe!
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