Tassili

Inspiriert von einem Bild, welches seit den Siebzigern an der Wand neben meinem Bett hängt, begann ich zu jener Zeit, einen Song zu schreiben, dessen Refrain in kürzester Zeit fertig war:

Und der Ali schaut 3 Stunden ins Tassili.

Meine Augen folgen suchend seinem Blick.

Glaubt der Mann dort draussen irgendwas zu finden?

Ich versteh das nicht, denn ich seh’ wirklich NICHTS.

Das Tassili ist ein imposantes Wüstengebirge im Süden der Algerischen Sahara, irgendwo zwischen den Oasenstädten Tamanrasset und Djanet. Meine Arbeitskollegen starteten damals in den Ferien eine richtige Expedition. Sie suchten und fanden dort mit Hilfe eines einheimischen Fremdenführers, eben Ali, prähistorische Felsenmalereien. Als sie zurück waren, schenkte mir Walter das Bild von Ali. Versunken in einem dunkelblauen Umhang, den Kopf fast gänzlich eingewickelt in einen weissen Turban, die Hände auf einen Stock gestützt, konnte der stundenlang einfach in die Wüste schauen. Walter hat Ali gefragt, ob ihm nicht langweilig sei. Ali hat nur sanft gelächelt und leise gesagt: „Ich bin einfach glücklich, hier zu sein und meine Familie ernähren zu können. Was sollte ich sonst noch brauchen?“

Ich bin nicht so der Follower-Typ und die Anzahl meiner Vorbilder lässt sich an einer Hand abzählen. Aber Ali ist das ultimative Kontrastprogramm unserer „modernen“ Lebensweise. Schon vor dem Smartphone-Zeitalter habe ich mir immer mal wieder vorgestellt, was beispielsweise in unserem Land geschehen würde, wenn auf einmal niemand mehr arbeiten müsste. Tischlein deck dich obligatorisch, sozusagen. Der ganze Konsumwahnsinn zwar unangetastet, Dauerferien, aber arbeiten verboten! Meine Prognose: Gemeinsames durchdrehen, Mord und Totschlag, nach einem Jahr noch die Hälfte der Bewohner am Leben!

Und jetzt noch die Handy’s! In der S-Bahn von Wettige nach Züri stieren, wenn es ganz gut geht 5-10 Prozent nicht in ihr Handy. Meine Lieblingsvorstellung: Ab 1. Mai funktioniert definitiv kein einziges Smartphone mehr, in einer Testphase vielleicht erst mal den ganzen Mai als gemeinsamer Alptraum?